Gereizt und etwas gehetzt wirkend verpasst Deutschland gerade das selbst(!)gesteckte Klimaziel für 2020 krachend(1), das Ziel für 2030 gilt als stark gefährdet(2). Selbst das Ziel für 2050 gilt mittlerweile als nicht mehr haltbar, falls nicht, ja falls nicht sofort ein radikaler Aufbruch einsetzt(3). Allerdings bremst Deutschland nicht nur intern, sondern auch extern(4).
Selbst die konservative WELT schimpft der Politik wäre das Klima auf gut deutsch eigentlich scheißegal(5), wenn, ja wenn nicht ein paar lästige Kinder die Schule schwänzen und die Medien wuschig machen würden. Was lästig, die Gören. Aber da ist sich ja zum Glück nicht nur ein Christian Lindner nicht zu schade sich schulmeisternd mit ein paar Freitagskindern an einen Tisch zu setzen und sich mal so richtig alt auszusehen zu lassen(6). Den mal mehr, mal weniger aber im Duktus stets gleichlautenden Ton haben viele in Berlin drauf, wenn es um die streikenden Kinder geht. Gut Christian Lindner braucht das wohl, um sich wenigstens ab und wann mal erwachsen zu fühlen, es sei ihm gegönnt und wir erwarten ja auch nichts reiferes von ihm. Aber die von ihm ins Feld geführten und offen oder verhalten von vielen geteilten Argumente: Klimaschutz ja, aber nur wenn sich dadurch nix ändert zeugen von einem tiefgreifenden Mißverständnis, da das Leben an sich Veränderung, präziser gesagt permanente Veränderung bedeutet. Wer also mit Veränderung nicht souverän umgehen kann, sollte nicht versuchen eine Führungskraft zu sein. Nun, Christian Lindner wird wohl nicht sobald Gefahr laufen Verantwortung für mehr als eine Splitterpartei zu übernehmen (wofür dann auch nicht wenige insgeheim ganz dankbar zu sein scheinen). Aber die amtierende Regierung muss mit dem Reden aufhören und mit dem Handeln anfangen. Jetzt. Man mag den Wissenschaftlern glauben oder nicht, aber selbst das gerade angestrebte (und im Verfehlen begriffene) Ziel die Klimaerwärmung auf 1,5°C bis 2°C einzugrenzen birgt aus wissenschaftlicher Sicht deutliche Risiko dass bei zutreffender Prognose unsere Zivilisation zwangsläufig untergeht, weil Teile der Erde für den Menschen unbewohnbar werden und Tiere wie Pflanzen massenhaft austerben (7,8). Das wir in ernster Gefahr sind ist die Ansicht der überwiegenden Mehrzahl der Experten. Der Teil, der Experten der uns nicht in ernster Gefahr sieht hat uns wahlweise schon aufgegeben oder hat seine Expertise in einer Disziplin die eher nicht klimarelevant ist. Oder er gehört schlicht nicht zu den aktiv forschenden Wissenschaftlern, sondern nur zur Gruppe der akademisch gebildeten Meinungsträger.

So, wir können uns jetzt weiter Greta böse Blicke zuwerfend in einer Lindnersche Warteschleife festkrallen. Immer in der Hoffnung, dass sich das alles irgendwie ohne größeres Zutun und vor allem ohne Änderung unseres Lebenswandels lösen wird. Dabei schön weiter das eigene Nichtstun beim privaten und gesellschaftlichen Wandel mit Fingerzeig auf andere abwehren. Die man kann ja dochnixtun und schau mal die anderen, das geht nur wenn alle..-Nummer

Wir können auch uns lustvoll selbstlähmend in apokalyptischen Szenarien suhlen, um dann wieder genau kein Problem zu lösen. Uns und anderen aber mal wieder schön Kante zeigen und vor allem alte Rechnungen begleichen. Siehe Flüchtlingskatastrophe(9), die wir bei Lichte zwar genauso souverän wuppten, wie es sich für eine zivilisierte und gut organisierte Gesellschaft gehört. An deren Ende wir aber erstaunlicherweise das linke Spektrum noch stärker beobachten, aktiv die Gesellschaft so stark rechts manörierten, dass selbst der rechtsnationalkonservative Dampfplauderer Seehofer letzhin anfing mahnende Worte gegen eben diesen Rechtsruck anzubringen. Dass wir dabei wie üblich gleich einen Teil unserer zu verteidigenden Werte beschnitten, zum Teil gar defacto illegal gemacht haben mal ganz aussen vor.

Oder wir können uns ausnahmsweise mal so verhalten, wie wir es von einem innovationsstarken Land voller Weltmarktführer in allem möglichen, vor allem ingenieurleistungen, also zum Beispiel einem Land wie Deutschland erwarten würden.

Was würde schlimstenfalls passieren, wenn sich tatsächlich alle Experten geirrt hätten und wir dennoch aktiv den klimaschutz umgesetzt hätten? Wir hätten neue Technologien entwickelt, den Planeten zu einem lebenswerteren Platz gemach. Ganz im Ernst, es gab in der Menschheitsgeschichte schon sinnlosere Anlässe so eine Bewegung loszutreten als die Rettung des Planeten. Und Stuttgart ohne Feinstaub ist jetzt auch nicht eben ein echtes Schreckensszenario.


1) https://www.zeit.de/politik/deutschland/2019-02/klimaschutzbericht-ziele-2020-immissionen-klimawandel

2) https://www.pfaelzischer-merkur.de%2Fwelt%2Fleitartikel%2Fdeutschland-braucht-mehr-mut-zu-echtem-klimaschutz_aid-38715011&usg=AOvVaw1LF5eGdwAvexzvLSaAz_RZ

3)https://www.spiegel.de/plus/energiewende-in-deutschland-murks-in-germany-a-00000000-0002-0001-0000-000163724123

4)https://www.handelsblatt.com/politik/international/klimaziele-deutschland-verweigert-sich-bei-europaeischer-klimaschutz-initative-/24313072.html

5)https://www.welt.de/print/welt_kompakt/debatte/article176197250/Das-Klima-ist-der-Politik-egal.html

6)https://rp-online.de/politik/deutschland/fdp-chef-christian-lindner-vergleicht-fridays-for-future-mit-willkommenskultur-fuer-fluechtlinge_aid-38192267.

7)https://www.tagesspiegel.de/politik/klimawandel-ist-eine-verheerende-heisszeit-noch-zu-verhindern/22888294.html

8)https://www.welt.de/wissenschaft/article180678638/Klimawandel-Deshalb-koennte-eine-Heisszeit-drohen.html

9) Es wird wohl ein Treppenwitz der Geschichte werden, dass wir den dann bei allem Dissenz doch gelungenen Beweis unserer Menschlichkeit und des Funktionierens unserer Gesellschaft als Katastrophe, die Gefahr des eigenen Austerbens jedoch als Wandel bezeichnen.