DIe Erderwärmung bewirkt in Deutschland zunächst ein rationales Delirium. Klimawandel ist beispielsweise wenn man zwischen Hysterie und Besonnenheit erst einmal ausgiebig diskutiert, dass es sieben Tage die Woche morgens, mittags, abends billigen Sonntagsbraten geben muss. Alles andere sei eine inakzeptable ökofaschistische Verbotskultur der Gretasekte. Sonntagsbraten!
Seit wann ist es eigentlich das schützenswerte Kulturgut, demzufolge es jeden Tag morgens, mittags, abends Fleisch geben können müsse? Und überhaupt: was meint eigentlich Verbotskultur? In einem Land über dessen Fülle von Gesetzen, Verordnungen und Regeln man schon ewig witzelt, dass nicht ohne Grund gefühlt die Hälfte weltweiten Rechtsliteratur auf Deutsch erscheine(1). Im Spiegel der Welt und unserer selbst zeigt sich: wenn es denn eine unstrittig typische deutsche Kulturgeste gebe, dann ist es doch wohl das Verbot.
Man kann an der Fleischkonsumdiskussion, wie an zahlosen anderen Beispielen gut erkennen, wie in der gesellschaftlichen Diskussion die schiere Zukunftsangst der einen ungebremst auf die wehrhafte Gier jener anderen, offenbar situierten trifft, die die hemmungslose Plünderung aller Reserven für sich als schützenswertes Kulturgut reklamieren und Diebstahl als Freiheit begreifen.
Ja, wahrscheinlich ist es wohl so wie man sagt. Eben, dass sich gegen die gesellschaftlichen Folgen des Klimawandels die 68er Proteste und ihre tiefgreifende Veränderung der Bundesrepublik wie ein Spaziergang im Frühling ausnehmen werden. Wenn wir damit durch sind, wird die Republik eine andere sein.
1) Das ist ein alter urbaner Mythos mit wahrem Kern: es sind real keine 50 sondern etwa 15%, womit wir aber immer noch mit Abstand quantitativ weltführend in der Produktion von nationalen Rechtstexten wären.