




Das Ausbinden verhindert, dass der lose Satz beim Transport vom Arbeitsplatz des Setzers zur Druckmaschine oder bei der Lagerung durch Erschütterung in seine Einzelteile zerfällt. Hierzu wird seit Jahrhunderten die sogenannte Kolumnen- oder Ausbindeschnur verwendet. Dabei handelt es sich um eine feste, geflochtene Hanfschnur, die nicht selten gewachst ist und typischerweise rot ist. Sie ist am ehesten mit dünnen Schnürsenkeln vergleichbar. Da eine Spule dieser Schnur etwa 30 Euro kostet und somit kein Schnäppchen ist, hat der sparsame Setzer stets eine Schublade davon aufgehoben. Sie fällt betreibt man die Setzerei ernsthaft alle Nase lang an. Man verwendet sie, bis sie buchstäblich zerfällt. In meiner Schnurkiste befinden sich Kolumnenschüre, die sicher älter als 100 Jahre sind (sie haben halt eine lange Zeit in einer vergessenen Kiste verbracht). Dabei gehört die Ausbinde- oder Kolumnenschnur zu den unbesungenen Helden der Typografie – ohne sie keine Setzerei.
Für das Ausbinden gibt es verschiedene Methoden mit und ohne Knoten sowie mit und ohne Unterschlagen. Meine Version sieht vor, dass man an einem Ende der Schnur einen Knoten macht, den man als „Widerhaken“ auf eine Ecke des mit Blindstegen geschützten Satzes legt. Von dort aus legt man die Kolumnenschnur vier bis sechsmal unter Zug um den Satz. Den Zug erreicht man, indem die Schnur durch die Hand geführt wird, wobei die drei kleinen Finger als Hemmung fungieren und der Daumen als Hebel an der nächsten Satzecke wirkt. Da ich die Schnur nicht schneide, sondern aufhebe, kommen bei mir auch mal etwas mehr Lagen drum herum. Aber nie weniger als vier. Am Ende, wenn noch etwa 10–15 cm Schnur übrig sind, wird diese zweimal mit der Ahle unterschlagen. Dabei bildet man eine Schlaufe, die mit der Ahle unter den seitlichen Schnurstrang gezogen wird.
In anderen Setzertraditionen wird hier ein sogenannter Setzerknoten verwendet. Dabei wird die untergehobene Schlaufe in Form einer Schleife mit sich selbst fixiert. Dritte ziehen hier auch nur das Ende der Schnur einmal fest hoch. Es gibt auch Uneinigkeit darüber, ob die Setzerschnur einen Ausgangsknoten haben soll oder nicht. Ich finde ihn praktisch, während das satztechnische Lexikon von 1927 dies als Unart geißelt. Die Berufskunde der Schriftsetzerei von 1952 sieht ihn hingegen als Voraussetzung, um überhaupt von einer Kolumnenschnur zu sprechen. Nun, wie auch immer – es ist jedenfalls durchaus normal, dass man von einem alten Meister angebellt wird, wenn dieser einem nach vielen Jahren der Setzerei beim Ausbinden zusieht. Deren Tonfall war schon immer rau, die Sitten immer verschieden und die Meister schon immer unerbittlich.
Gut auf Press gesetzten Satz ohne Luft kann man bis etwa Postkartengröße, entsprechend etwa 2-3kg Typenblei mit Kolumnenschnur so fest ausbinden, daß man ihn auch ohne Schiff herumtragen kann, auch wenn es eigentlich nur darum geht diesen vor dem Verrutschen zu schützen. Allerdings tragen nur Meister und Gefahrensucher Satz ohne Schiff herum.