Ok, die Liste der Schäden ist so lang, wie gruselig:
Zylinderwagen verkanntet und fest.
Zylinderzahnrad gebrochen
Zahnstangen gequetscht, Zähne ausgebrochen
Fundamentplatte vom Gußtisch gerissen
Zylinderwagengehäuse gerissen
Seitliche Führungen des Zylinderwagens (die Kupfergleiter) gequetscht.
Gestänge verbogen
Nockenscheibe gebrochen
Steuerdorn vom Antrieb der Verreiber abgerissen
Abdeckung vom Antrieb der Verreiber abgerissen
Anlegetisch abgerissen
Anlegetischaufnahmen ausgerissen
Anlagetisch Haltewinkelaufnahme verbogen
Welle der vorderen Verreiberwalze gestaucht
Von Kleinschäden, verbogene Federaufnahmen, abgerissene Schrauben, Loch im Gummi, Teilen, die der Spediteur wohl nicht mehr gefunden hat wie Farbwerkskurbel, Papierfänger, Lackschäden und Kratzern fange ich gar nicht erst an.
Der zwischen Heulen und Vernunft gefasste Plan das Speditionsopfer auszuweiden hat mich jedoch nicht glücklich gemacht. Ausserdem, was sollte schon passieren? Also habe ich mich daran gemacht die Maschine zu zerlegen und zu schauen, was man noch tun kann, und wenigstens etwas über diese speziellen Maschinen zu lernen und zu verstehen.
So dachte ich die Zylinderzahnräder wären an den Druckzylinder geschraubt. Im klassischen Maschinenbau würde man das so machen. Simmel war aber Eisengießer, also ist die komplette Zylinder inklusive Zahnrädern ein Gußstück. Zumindest an dieser 1976er Maschine. *Seufz* Wer bitte macht denn sowas?! Wennman also wie ich glaubte, man könne nach Besuch der Zahnfee aus einer Spendermaschine nur das betroffene Zahnrad umbauen darf sich darauf einstellen, den kompletten Zylinderwagen zu zerlegen um die gesamte Welle auszutauschen. Der Kompletttausch ist wiederum kein Hexenwerk, und gut alleine zu bewätigen. Dauert halt bommelig einen netten Schraubertag. Schlüsselweiten der Nüsse sind im wesentlichen 17,19,32. Ein Hebel zur Kraftverlängerung ist ein Muss, gerade die 32er Muttern der Lauflager des Wagens wird man nur mit der Ratsche eher nicht aufbekommen. Einen großen Dorn, um den Stift der Kurbel auszutreiben zu haben ist ebenfalls von Vorteil. Einen Satz wirklich passender Blattschraubendreher, da die Schlitzschrauben allesamt aus recht weichem Eisen sind und einen zu kleinen Schraubendreher sofort mit Ausbrechen quittieren und man sollte Maschinenfett, Putzmittel und Lumpen sowie einen Nylonhammer greifbar haben. Das war es im wesentlichen schon an Werkzeug für den Job, also nix wildes.
Am Abend war dann der zersplitterte Excenter für die Rollensteuerung durch einen handgesägten und gefeilten Nachbau aus PU ersetzt (sieht wie aus dem Laden aus), das gequetschte Lager der Andruckrollensteuerung ist ersetzt, der gebrochene Farbwerksantrieb hat einen neuen Lagerdorn samt neu aufgepresstem Kugellager, die gestauchte Welle der Verreiberwalze ist wieder bis auf 1/100 mm gerade, der ausgebrochene Begrenzer der Greifersteuerung auf der Gehäuseinnenseite ist ausgebohrt, mit neuem Gewinde versehen und obwohl ein Stück Flanke fehlt für das, was es leisten soll für mehr als ausreichend stabil befunden. Kaltverformtes Gestänge erwärmt und wieder gerade ausgerichtet. Die ausgerissenen Fundamentaufnahmen am Gußgestell konnte ich auch aufs nächste Gewinde aufschneiden und mit neuen Schrauben versehen.
Schnick: trotz vieler Guß(aus)brüche eine Reparatur ganz ohne Schweißen. Ich schwanke noch, ob ich die Maschine wegen der Abplatzer werkskonform spachtel und wieder im Korrex Blaugrau lackiere, oder ob ich ihr die Patina lasse. Ich tendiere zu letzterem. Geschmackssache, blitzblanksauber ist sie jetzt jedenfalls wieder und sieht zumindest beim flüchtigen Blick fast ladenneu aus.
Die von mir gesuchte Position der Greiferleiste beim Aufsetzen des Zylinderwagens ist übrigens so, dass die Greiferleiste beim Aufsetzen der Zahnräder auf die Zahnstangen gerade einen halben Zentimeter unterm Drucktisch hervorlugt.
Nun läuft die Maschine wieder, greift und öffnet, wo sie soll, fasst sich eigentlich ganz gut an. Die zwei fehlenden Papierfänger werde ich bei Gelegenheit noch nachbauen, das Material ist schon im Zulauf.
Ich bin aufs erste Drucken gespannt, vorher aber ein letztes Mal zerlegen, damit sie quer durchs Haus in meine kleine Druckwerkstatt gefädelt werden kann.
Wartungstipps, die mir als Schrauber beim Zerlegen und Instandsetzen auffielen:
Die vier Kugellager der Laufrollen des Wagens sind offen. Ab Werk wurden die einmal gefettet, das dürfte bei allen Maschinen also 50 bis 70 Jahre her sein. Eine Wartungsöffnung gibt es indes aus unerfindlichen Gründen nicht, owohl die Lager in schmutzanfälliger Umgebung arbeiten. Offene Lager, die man nicht warten kann – für Maschinenbauer dieser Zeit ziemlich untypisch. Sowas machen eigentlich nur kostenoptimierende BWLer, denen egal ist, was mit Maschinen nach Ablaufen der Garantiefrist passiert. Das Fett ist jetzt also, wenn der Wagen nie abgenommen und die Laufrollen dabei zufällig gereinigt und geschmiert wurden eine halbtrockene, verharzte Schleifpaste voller Dreck. Wenn man die Zeit findet den Wagen abzunehmen, sind die wirklich dankbar mal ein Tiefenreinigungsbad im Lösungsmittel-Spa zu erleben um hernach mit neuem Fett versehen wieder leicht und willig zu laufen. So alle zehn Jahre sollte man das machen. Ist die Werkstatt sehr staubig eben alle fünf Jahre. Denn wenn die Lager erstmal defekt sind, braucht man einen speziell anzufertigenden Abzieher und eine hydraulische Presse. Immerhin: diese Lager haben Standardmaße und es gibt sie noch regulär im Maschinenbedarf.
In der Anleitung der Maschine steht man solle die bald 20 Schmierpunkte zweimal wöchentlich ölen. Das ist etwas übertrieben, aber eine kleine Flasche Maschinenöl sollte auf jeden Fall in Reichweite dieser Maschinen stehen und auch regelmäßig benutzt werden. Wenn die Maschine länger unbenutzt steht sollte man ihre blanken Metallflächen zum Schutz vor Flugrost mit Öl oder Politur einreiben. Der Stahl ist rostanfällig und Wasser wird unweigerlich zu Rost führen, bei der Reinigung also unbedingt auf wasserhaltige Reinigungsmittel verzichten oder die gereinigten Flächen penibel abtrocknen und mit einem Politurlappen trocken abziehen.
Danke an die vielen netten Menschen hier, die mit Informationen und Hinweisen geholfen haben.
Ich habe leider kaum Bilder gemacht, daher die Auswahl eher als Impression, denn als Information.

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