Ha! Ich habe einen Weg gefunden, Durotype Matrizen nachzubauen. Klingt gut? Kein Wunder, die Maschine, die sie braucht, ist weit über 100 Jahre alt: eine Gestetner “Cyclostyle” mit der Typennummer 6 oder 9. Das ist eine Walzensiebdruckmaschine und für den Betrieb braucht man Siebmatritzen. Und genau die kann ich jetzt für 5ct selbst herstellen 🙂

Ein Gestetner Cyclostyle funktioniert folgendermaßen: Zwei Walzen sind übereinander angeordnet und zusätzlich durch eine oszillierende Drallwalze verbunden. Die obere Walze stellt das Farbreservoir dar, die untere die Farbwalze und die Duktorwalze dient der gleichmäßigen Farbverteilung. Über den Walzen befindet sich ein durchlässiges Seidengewebe, das als Stützschicht für die Matrizen dient. Die Farbe wird nun beim Transport des Papiers durch die Seidenbahn und die Matrize gedrückt und aufgetragen, und voilà: man hat eine Kopie. Das geht recht schnell, bei schneller Kurbel kann man mit der Maschine theoretisch etwa 1.000 Drucke pro Stunde machen. Ich habe testweise ein Ries Büropapier mit 500 Blatt in etwa 25 Minuten durchgeschoben.
Dabei glänzt die Mechanik mit Eigenschaften, die ich eigentlich nur von großen Druckmaschinen kenne. Zum Beispiel den automatischen Einzug mit selbstnachführendem Anlagetisch, der, um Geisterbilder auf der Anpresswalze zu vermeiden, tatsächlich automatisch herunterfährt und die Anpresswalze absetzt, wenn sich der Papierstapel dem Ende nähert.

Meine Maschine befindet sich in einem sehr seltenen, ausgezeichneten und vollständigen Erhaltungszustand, sogar mit Bedienungsanleitung und Zusatzeinrichtung für den Postkartendruck. Die meisten Maschinen auf dem Markt oder in Museen sind unvollständig: Oft fehlt die Seidenbahn, meist fehlen auch die Gummifüße des Papiertransportes und andere Kleinteile. Lediglich den Papieranlagetisch, der bei fast allen angebotenen Maschinen fehlt, musste ich nachbauen.

Die Herstellung der Matrizen geht so: Man nehme eine RISO-Matrizenrolle. Die tauchen immer wieder in Kleinanzeigen auf und kosten dann oft fast nichts. Diese Matrizen heißen auch Gestetner oder Ricoh Matrizen/stencils, weil alle diese Geräte nach dem gleichen Druckprinzip arbeiten. Für die Gestetner wird zusätzlich eine Kopfplatte mit spezieller Lochanordnung benötigt. Bei den Bautypen vor der Nr. 6 haben die Stifte wahrscheinlich als Werbegag den Schriftzug Gestetner gebildet. Danach war es wohl nur noch ein Kopierschutz, um den Nachbau der Matrizen zu erschweren. Wohl dem, der präzise Löcher in Serie bohren kann 🙂 Im nächsten Schritt schiebt man die Matrize und eine Vorlage durch ein Faxgerät oder einen beliebigen Thermopapierdrucker, klebt diese mit doppelseitigem Klebeband auf die Kopfplatte und hängt sie in die Maschine. Jetzt kann gedruckt werden.

Als Druckfarbe wird die aus technischen Gründen nie trocknende Tinte der Risographen verwendet. Diese hat die besondere Eigenschaft, zwar auf dem Papier haften zu bleiben, aber nie einzutrocknen. Jede andere Farbe würde die Maschine sofort zerstören.

Die Gestetner-Maschinen waren damals weit verbreitet, einfach zu bedienen und hatten eine enorme Lebensdauer der Matrizen. Ihr Auflagenpotential wurde vom Hersteller mit 100.000 angegeben. Zum Vergleich: Die Spiritus-Umdrucker schafften gerade mal 50-100 Abzüge, bevor ihre Wachsmatrizen erneuert werden mussten.

Und sie sind, ganz Kind ihrer Zeit, feinmechanische Wunderwerke. Im Betrieb sieht man viele hypnotisch oszillierende Teile und Gestänge, hört eine Sinfonie zarter Töne und Rhythmen und erfreut sich an der sich selbst feiernden Industrieoptik mit ihren schwingvollen goldenen Lettern unter dem abgrundtiefem Glanz ihres tiefschwarzen Nitrolacks.

Im Druck sieht man die sich überlagernden Gewebe, was einen eigenen Reiz hat. Das schränkt aber auch die Verwendbarkeit ein, tut aber der Freude am Drucken keinen Abbruch.