Merz hätte sich entschuldigen können. Hat er nicht. Stattdessen trat er arrogant lächelnd nach. Ein Kanzler aller Deutschen? Ihm würde bei der Zuschreibung wohl unwillkürlich das für ihn typische arrogante Lächeln übers Gesicht gleiten. Nein, natürlich ist er kein Kanzler aller Deutschen. Er ist ein – gemessen an der auch von ihm gepflegten Sprachdiskursion- ein Kanzler-Ersatzprodukt. Gibt vor Kanzler zu sein, ist aber ein exklusiver Lobbyist der Reichsten, der die Union und nun die Bundesregierung als deren Service-Organisation versteht.

Sein „Kampf“ gegen die AfD ist ein Täuschungsmanöver. Sein Kalkül zum Wahlsieg ist, das Land in eine falsche Wahl zu zwingen: Nazis oder ihre bürgerlichen Mitläufer. Was nicht nur brandgefährlich, sondern auch unfassbar dumm ist, spielt doch hierzu dasselbe Spiel wie die AfD – ein Panikorchester der „nationalen Notlage“. wie die AfD – ein Panikorchester der „nationalen Notlage“. Angst wird erfunden, aufgeblasen, inszeniert. Und wer die Angst schürt, bietet sich gleich als Retter an. Wie will sich da die Union erfolgreich zur AfD abgrenzen? „Nicht Nazi“ reicht nun mal nicht, wenn man dieselben Ressentiments bedient. Diese Taktik ist zum Scheitern verurteilt. Mehr noch, diese Taktik stärkt die AfD, die seit Merz fast keine eigenen Anstrengungen mehr unternehmen muss, um zu wachsen. Merz hat die Union zur Marketingabteilung der AfD umgebaut und gleichzeitig die verbliebenen Gegner, die Linken und die Grünen auf Abstand gebracht. Eigentlich ist die AfD gerade dank Merz arbeitslose Zuschauerin ihres Erfolges.

Und die SPD? Statt Gegenmacht sieht sie ihr Heil auf der Flucht vor der Bedeutungslosigkeit ausgerechnet darin Erfüllungsgehilfe der Union zu sein. Damit marschieren derzeit zwei Drittel der Parteienlandschaft – CDU, CSU, Freie Wähler, SPD und AfD – in dieselbe Richtung: autoritär, illiberal, im schlimmsten Fall faschistisch.

Die Millionen auf den Straßen gegen Rechts und Remigration wurden umgehend politisch unsichtbar gemacht. Sie passten nicht ins Drehbuch dieser Parteien, weil sie ihnen weder Angebote machen konnten, noch wollten. Grüne und Linke, die ihnen eine parlamentarische Heimat geben könnten, werden systematisch als Gegner markiert. Bezeichnend: Man verweigert ein Verbotsverfahren, lässt aber weitgehend ungebremst intern Möglichkeiten (Union) und Bedingungen (SPD) der Zusammenarbeit mit der AfD diskutieren. Die Brandmauer als Papiertigerstuhlkreis um ein loderndes, nationalromantisches Lagerfeuer.

Und der Kanzler? Nur ein Jahr nach Potsdam bedient er mit seiner Rückführungsrhetorik selbst die Remigrationsphantasien.

Das Ergebnis liegt auf der Hand: Wenn sich Union, SPD – und die Gesellschaft – nicht grundlegend ändern, wird die extreme Rechte Regierungsämter übernehmen. Nicht aus eigener Stärke, sondern weil die etablierten Parteien sich kaufen ließen, weil sie sich verkalkulierten, weil sie glaubten, es sei einfacher, Politik für das Schlichte und Böse zu machen – statt für das Komplexe und Gute.

Wir müssen wütender werden. Wir müssen lauter werden. Wir müssen widerständiger werden. Oder um es mit den Worten der Auschwitz Überlebenden Esther Bejarano zu sagen: Wer gegen Nazis kämpft, kann sich auf den Staat nicht verlassen.