Nachtrag: inzwischen glaube ich auch zu wissen, wo Frau Eickhoff beruflich gearbeitet hat: In der ehem. Psychiatrischen Klinik Hviding, Dänemark. Das legen Forensik und der letzte in der Maschine noch erhaltene Druckstock nahe, den ich zwischenzeitlich abgezogen habe: ein Telefonkostenformular eben dieser der Klinik.

Nun könnte die Maschine auch sonstwo Lohnarbeit in einer Druckerei geleistet haben, wäre da nicht die Forensik: fast ein halber Zentimeter Farbe auf dem Farbteller zeugt davon, dass man die Maschine lange zeit beim Betrieb nicht putzte, nur bei Bedarf Farbe zugab. Auch bei der erhaltenen Druckform musste ich erstmal die unter einer dicken Farbschicht völlig zugesetzten Zeilen wieder „freigraben“. Dann sind da die Walzen, die von den Linien völlig zerschnitten sind, weil sie fast 1,5cm dicker als das Rollenmaß waren. Zum Zeitpunkt des Baus der Maschine waren Gelatinewalzen üblich, die man in den Druckereien selber goß. Die Walzen auf der Maschine sind, wie bis heute üblich aus Gummi mit einer Shorehärte von ca. 25. Seit den 1950ern gießt man seine Walzen nicht selber, wenn man welche aus Gummi bekommen kann. Gumiwalzen halten länger und drucken präziser. Nur sollten diese dann zur Maschine passend bestellt werden. Da wurden also von jemanden mit etwas handwerklichem Verständnis, der sich aber fraglos nicht ansatzweise mit Druckmaschinen auskannte, neue Walzen besorgt und eingehängt. Etwa ein Hausmeister.

Kurzum: keinem gelernten Drucker passiert sowas, auch nicht den Schlechten. Weder Farbe über lange Zeit immer wieder auf der Maschine eintrocknen zu lassen, so dass sie dick auf dem Farbwerk eine massive und dabei unebene Kruste bildet, noch Walzen im falschen Querschnitt zu fahren, so dass diese tief zerschneiden. Beides ist elementares Grundwissen aus dem ersten Lehrjahr. Gelernte Drucker*innen wissen, dass Maschine und Druckstock dadurch unbrauchbar werden und keine sauberen Drucke mehr zu erzielen sind. Was gegen eine richtige Druckerei mit gelernten Kräften spricht. Und wie lange die Maschine dergestalt laienhaft benutzt wurde, davon zeugen die zerschnittenen Walzen und die Farbschicht. Frau Eickhoffs Martyrium muss viele Jahre angedauert haben.

Mit der Druckmaschine haben daher, so meine Einschätzung, eine lange Zeit zumindest gegen Ende ihres Berufslebens Volllaien gedruckt – ein typisches Zeichen von Maschinen, die ausser Reichweite von gelerntem Drucker*innen arbeiteten. Etwa von wechselndem Klinikpersonal bedient zu werden: mit jedem Personalwechsel verliert sich das ohnehin geringe Wissen durch die Schnellbleiche der Benutzungseinführung bei Aufstellung der Maschine. Irgendwann wurde in Unkenntnis einfach nur noch Farbe draufgegeben, die Maschine setzte sich unter Schichten getrockneter Farbe zu, ein Hausmeister wurde mal beauftragt neue Walzen zu besorgen, dennoch produzierte sie zunehmend schlechtere Drucke, bis diese gar nicht mehr lesbar waren, um dann irgendwo trocken abgestellt und vergessen zu werden. Vielleicht blieb sie auch einfach an Ort und Stelle stehen, aber man hatte sich zwischenzeitlich einen dieser neumodischen Kopierer besorgt und brauchte die Stellfläche im Keller nicht. Was, wie der komplette Zustand, ebenfalls für eine Einrichtung wie z.B. eine Schule, Behörde oder Klinik spricht. Eben Einrichtungen in denen vergessene Dinge in vergessenen Räumen mitunter viele Jahrzehnte überdauern können.

Die Klinik in Hvdingen schloss 2010 die Tore. Ein Drucker muss die Maschine dann erworben und über dir Grenze in seine kleine Druckerei bei Flensburg verbracht haben. Mit Blick auf ihren Zustand hat er offensichtlich hat er nie umgesetzt, was immer er auch mit der Maschine vorhatte, sondern diese nicht lang bevor er starb im Fundzustand abgestellt, wo sie dann bei Räumung der Druckerei bei einem Schrotter landete, bei dem ich sie dann 2025 zufällig im Onlineflohmarkt entdeckte.

2 thoughts on “Frau Eickhoffs alter Arbeitsplatz

  1. Ich habe die ganze Geschichte mit Frau Eickhoff mit Spannung verfolgt! Ich besitze selber eine Walzenpresse, die ich vor zig Jahren mal als Werkstudent aus dem Schrottcontainer des damaligen Arbeitgebers gerettet habe. Gummiwalzen, kein Drucktisch, d.h. keine Ahnung, ob die je als Druckpresse vorgesehen war, oder primär nur eine Trockenpresse für Putzlumpen, aber sie hat mir lange Jahre für gelegentliche Linoldrucke bis max. 4 Farben gedient (viele Male unsere eigenen Weihnachtskarten, bis mich der Atheismus gepackt hatte, Auflage bis so ca. 50 Stück, die eigene Verlobungs- und Hochzeitseinladungskarte) Und ich habe immer nach kleinen Boston-Tiegeln geschielt oder meinetwegen Adana Letterpress, weil ich keinen Platz für was großes hätte. Die Forensik mit der Herkunftsgeschichte hat mir spontan Lars von Triers Miniserie „Hospital der Geister“ ins Gedächtnis gerufen…..

    1. Die Adanas sind richtig gut, habe ja selber eine und die trotz der „großen“ Korrex oft in Gebrauch. Ich habe auch eine weitere „kleine“ Tiegelpresse, ähnliches Alter wie die Eickhoff, aber als Tischmodell. Ich sag mal so: das Biest wiegt trotz seines handlichen Formates immer noch 80kg und sauber eingestellt drucken beide präzise. Nur wiegt die Adana eben nur 16kg. daher würde ich im Kartenformat/A5 immer zur Adana raten, wenn man noch keine Presse hat. Für Linol ist eine Zylinderpresse (kleine Nudel/Andruckpresse) dankbarer, da die Kleintiegel schwerer einzustellen sind, weniger Druck haben und prinzipbedingt anspruchsvoller hinsichtlich des Aufzuges sind und sich daher bei Gelegenheitsdruckern eher für Schriftformen anbieten.

      Lieben Gruß,
      Guido

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert