In der Gasse steht ein Dodge RAM Pickup. Die Gasse ist eine schmale Altstadt-Fußgängerzone und der die Gasse halbierende mattschwarz folierte Dodge RAM eine Potenzprothese in Form eines aus Chrom, Stahl und schlechtem, aber aggressivem Geschmack aufgetürmten XXL-Blechberges mit Türgriffen in Erwachsenenkopfhöhe, der keine verkehrsteilnehmende Person in auch nur dem geringsten Zweifel an der eigenen hoffnungslosen Unterlegenheit hinterlässt, sollte man sich auf der falschen Seite befinden – also vor der kühlergrillgewordenen 1:1 Nachbildung der Eiger-Nordwand dieser automobilen Waffenimitation.
Die Prothese müsse also dort in der Gasse beim Straßencafé stehen, so die Auskunft des Mittfünfziger-Fahrers in seiner üblichen undezent Wohlstand verströmenden Casual-Kombination aus Designerjeans, Schulterpulli und Bootsschuhen, welche auch jenen mit geringer Menschenkenntnis sublim erzählt, dass Maniküre der Gipfel der handwerklichen Fähigkeiten dieses Wannabe-Hardboiled-Survival-Lastwagenkraftfahrers darstellt. Das Gonadomobil müsse also nun dort stehen, weil Parkhäuser und Parkplätze ja nun leider zu klein für die Hülle seines Ego-Rollators seien, erklärt er mehr vorwerfend, denn entschuldigend. Wir lernen: Harte Ausgrenzung ist ein Phänomen gesamtgesellschaftlicher Kälte, das jede Randgruppe treffen kann. Auch die armen Reichen. Außerdem habe er sein Auto gerne im Blickfeld, das müsse man verstehen. Ich nicke mehr als Zeichnen, dass ich ihm weiter zuhöre, denn als Zeichen der Zustimmung, da sich mir spontan absolut nicht erschließen will, warum sein Cappuccino und der Blechberg nur in Sichtweite zueinander funktionieren sollten.
Immerhin könnte es ja sein, schaltet sich nun ein bislang unbeteiligter Tischnachbar hilfreich in die Diskussion ein, dass er dringend etwas transportieren müsse. Das wiederum kann ich sehr gut verstehen, denn wer kennt das nicht? In der Kiesgartenneubausiedlung muss dringend ein Flugzeugträger oder die Triebwerksstufe einer Mondrakete transportiert werden und keiner kann helfen. Große Katastrophe und ratlose Hilflosigkeit! Aber dann kommt Mr. Schulterpulli mit seinem Dodge RAM und rettet die Situation und den Tag mit einem verschämt abwinkenden “Ach, das ist doch nichts”-Lächeln, das in seiner Bescheidenheit so falsch, wie das Autogebirge dem Anlass einer Fußgängerzonendurchquerung angemessen erscheint
Aber für Alphamännchen mit chronischen mobilen Machtfantasien ist Deutschland ein weltweites Vorbild für Inklusion. Deswegen darf er da stehen.
Schlechte Nachrichten gibt es jeden Tag. Deshalb poste ich hier mal eine gute.

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