Solange Frau Baerbock sich weigert zu Boden zu gehen wird der wüste Dreckbewurf anhalten, dieweil die Union ungestört ihre Weiterso Kampagne fährt.

Das Bündnis90/die Grünen nach Umfragen in jüngerer Vergangenheit die einzige Partei war, die der Union hätte gefährlich werden können erklärt die grobe und unnachgiebige Härte. Es erklärt aber nicht die bis ins groteske verzerrte Gewichtung der Maßstäbe. Da stehen biographische Petitessen und Normalitäten plötzlich gleichwertig zu handfesten Problemen im Lebenslauf. Da reden wir wochenlang darüber, dass Frau Baerbock nicht die gesamte Zeit, sondern nur eine Zeitlang eine Position innehatte, dass sie nicht Mitglied, sondern Förder-mitglied und Beirätin war, dass sie gar von sich(sic!) und aus dem Parteiprogramm der Grünen und von Wikipedia abgeschrieben habe – in einem weichen nichtakademischen literarischen Format, welches nicht einmal eines Quellenverzeichnisses bedarf noch gewohnheitsmäßig über eines verfügt. Und nun also dass Sie ihr Promotionsvorhaben abgebrochen hat, obwohl sie ein Begabtenstipendium hatte. Skandal! Sie hat das Stipendium wie die 30% der anderen Stipendiaten, die statistisch im Mittel abbrechen nicht zurückgezahlt, weil Promotionsabbrüche schlicht normal und Rückzahlungen daher nicht vorgesehen sind.

All das steht plötzlich wichtiger als der an echten biographischen Problemstellungen überreiche Konkurrent Laschet, dessen Vita z.B. bis heute verschweigt, dass er wegen Betrug seine Lehrtätigkeit an der Uni verlor, der im Focus von harten Steuerbetrugsvorwürfen und handfesten Korruptionsskandalen steht und sich ganz nebenbei gerade mit dem Bundesverafssungsgericht anlegt, indem er dessen Vorgaben zur Klimagerechtigkeit zu Gunsten seiner konservativen Vorstellungen von Energiepolitik auszuhebeln versucht. Sekundiert wird die Union bei ihrem Zerrwerk von einer seltenen Phalanx die von der Bild bis zur taz reicht. Nein, ich sage ausdrücklich nicht, dass alles, was Frau Baerbock möglicherweise oder tatsächlich geschönt hat ok ist. Aber wir haben hier zwei Dinge die wir bei begrenzten Ressourcen wie Aufmerksamkeit beachten müssen: einerseits die Gewichtung und andererseits die Bedeutung. Wir müssen kein mediales Sommerloch mit aufgebauschten Nichtigkeiten füllen. Die Gewichtung ist zwischen der Behandlung der Kandidat*nnen, vor allem aber auch eingedenk der drängenden Zukunftsaufgaben völlig grotesk. Die hieraus resultierende Bedeutung ist nun die, dass die einzige relevante Alternative zum Weiterso von Union/SPD nicht in einem Wettstreit um die besseren Ideen untergeht, sondern im Auszählen von Fußnoten in einem Werk, das keine kennt und auch keine braucht.

Bene, Frau Baerbock hat also ihr Promotionsvorhaben ordnungsgemäß beendet und aufgeheizte Menschen, die in Summe wahrscheinlich von Promotionsverfahren so wenig Ahnung haben, wie ich von theoretischer Kernphysik zerreissen sich den Mund, weil Sie, wie auch sonst keiner, ihr Begabtenstipendium nicht zurückzahlte. Der einzige echte Skandal daran ist, dass wir Dank Medien und politischen Akteuren damit unsere Zeit verschwenden, während uns die Kipppunkte zunehmend entgleiten und sich das Fenster rapide schließt, in dem wir den Übergang halbwegs gesellschaftlich und sozialverträglich moderieren könnten, denn aufhalten werden wir den Sturm der da kommt ohnehin nicht mehr.

Eine Auswahl x aus y des Horrorkabinettes dessen womit wir uns eigentlich befassen müssten: Der Jetstream kommt zum erliegen, der Golfsstrom verebbt, der Permafrost taut immense Mengen an Methan freisetzend, die Polkappen schmelzen, das Meer kann temperaturbedingt immer weniger CO2 binden, die Wälder schrumpfen in furchterregendem Maß, die Riffe bleichen, das offensichtlich exponentiell wachsende Artensterben zählt aktuell etwa 150 Arten pro Tag die für immer verschwinden, Lebensräume beginnen klimabedingt schneller zu wandern als Fauna und Flora hinterherkommen können, etc. pp. Die Menge der großen und kleinen Warnlicher im ökologischen Sicherungskasten ist mittlerweile zum offenen, sich rapide vergrößernden Warnfeuer verschmolzen.

Nur mal als ein Beispiel für die Dimension, mit der wir es gerade zu tun bekommen: Z.B. sind alle Nahrungsfische bis auf Zuchtkarpfen überfischt und mehr oder weniger stark im Bestand bedroht. Alle. Die primäre Lebensgrundlage für etwas über eine Milliarde Menschen fällt auf diese Weise gerade zunehmend weg. Ganze Nahrungsketten brechen in der Tier und Pflanzenwelt, und damit auch beim Menschen zusammen. Und das ist nur der Teil der auf Fisch angewiesen ist. Gedankenszenario: Was wird wohl passieren, wenn eine Milliarde Menschen ihre primäre Lebensgrundlage verlieren? Egal wie hoch privilegierte Regionen dann ihre Mauern ziehen wollen, das wird nicht reichen. Wir werden wenn wir uns nicht beeilen zu handeln Völkerwanderungen sehen, wir werden Gewalt und Elend in globalen Maßstab sehen. Oder wir moderieren den Prozess so gut es eben geht, und zwar national und international.

Frau Baerbocks Schönfärbereien sind nicht gut, vielleicht hier und da auch nicht entschuldbar. In totaler Ermangelung eines gut gefüllten Vorrates an fleckenlosen Heiligen ist sie jedoch allerdings angesichts der Alternativen Laschet über Scholz und Lindner bis hin zu den Irren von der AfD fraglos eine der besseren Optionen für diesen Transformationsprozess. Sie ist zumindest die einzige, die diesen zu ihrer Sache machte und diesen nicht nur als austauschbares Lippenbekenntnis auf ein Kampagnenplakat klebt, oder nicht einmal das zu tun bereit ist. Es gibt Zeiten, da kann man auf die Idealbesetzung warten. Und es gibt Zeiten da nimmt man was man hat und versucht zu reißen, was eben geht, oder tritt eben weiter am gestern noch für richtig gehaltenem, aber schon da als falsch erkanntem festhaltend ab.

Auf uns kommt ein Sturm zu und wir übergeben die Befestigungsarbeiten an Menschen, die im Grunde ihres Herzens bezweifeln, dass es Stürme gibt.

Gedanken, die man sich im Auge einer generationenbestimmenden Richtungswahl stellen könnte und müsste, wenn, ja wenn wir es denn nicht weiter erfolgreich schaffen nicht über Inhalte zu reden und das auch noch für vernünftig gar notwendig hielten. Wir werden also sehen, wie eine Kandidatin über kleine Fehler zerrissen wird, werden der Form halber bei den anderen Kandidaten unsere Verstimmung über dort bereits vorgefundene oder noch auftauchende große Fehler bekunden und am Ende jemanden küren, dem sowohl Qualifikation als auch Willen fehlen, weil wir derjenigen, die den Willen hatte aus Kleingeisterei und unter völliger Verkennung der Lage die Qualifikation absprachen.

Deutschlands Bauch ist dabei eine Wahl gewinnen und eine Zukunft zu verlieren.

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