Das diese Woche kommende Jahrbuch mit allen 408 gezeichneten Kommentaren meiner Stifte in 2024 braucht noch ein Einband-Poster, und nachdem ich bei Mastodon als ersten Kommentar zum kleinen Arendt Text las, dass jemanden der Entwurf nicht gefiel, versuche ich alter Slowprinter es eben noch einmal. Diesmal in groß. Leider habe ich nicht genug von der eigenwilligen aber schönen Groteskschrift Block von 1908 in 36p, also muss ich den zweifarbigen Text in drei Durchgängen auf das Format bringen. Die angenehmen Herausforderungen dabei sind zweierlei:
- Ich muss den Druck richtig ins Format bringen, ohne vorher den Gesamteindruck zu kennen. So wie ich es ausgerechnet habe, kommen noch sechs Zeilen darunter.
- Während das menschliche Auge mit kleinen Ungenauigkeiten beim Eindruck einer zweiten Farbe im Format relativ lax umgeht, toleriert es Fehler beim Anschluss der zweiten Texthälfte in der selben Farbe eher nicht. Hier muss ich nicht nur mit dem von Hand beschickten Farbwerk einen immer annähernd gleichen Farbauftrag treffen sondern die Bögen muss zudem in beiden Durchgängen in Handanlage sorgfältig ausgerichtet zugeführt werden, das menschliche Auge erkennt Parallelen und Muster nunmal sehr gut, es muss entwicklungsgeschichtlich mal überlebenswichtig gewesen sein. Das übliche Plakatdurchnudeln ist hier also nicht möglich. Es wird also spannend.

Der erste Schritt nach dem Aufbringen des gesamten oberen Textteils war ein Probedruck auf Makulaturbogen. Dafür wird die Form zweifarbig eingewalzt, um Stand und Wirkung zu testen. Das geschieht von Hand, da keine Einfarbenmaschine zwei Farben in dieser Anordnung in einem Durchlauf aufs Papier bringtIm nächsten Schritt erfolgt die Korrektur und Spationierung, was beim Blocksatz in Blei eine Kunst für sich ist. Bleisatz kennt keine Unterschneidungen, man kann nur sperren und/oder die Wortabstände variieren. Es ist eine Gratwanderung zwischen Lesetypographie und Bildwirkung des Gesamtsatzes. Wenn sich Bleisetzer zoffen, dann entlang dieses schmalen Pfades.

Nach Korrektur und Druck des ersten Teils der Kleinauflage wird die Form wieder zerlegt und mit den Typen der zweite Teil des Textes gesetzt und mit einer Quellenangabe in der zu Hannah Arendt zeitgenössischen kursiven Impressum vom 1962 ergänzt.



Nach dem Einschließen des zweiten Teiles im Fundament, musste natürlich die Papieranlage justiert werden. Bleisatzformen bestehen aus hunderten, gerne auch tausenden von einzelnen Teilen, und gerade auf lange Distanzen machen sich kleinste Verschiebungen beim einschließen der Formen deutlich bemerkbar. Dem wirkt man einerseits mit sauberer, fester Setzarbeit und einer bestimmten Reihenfolge beim Schließen entgegen. Andererseits gibt es dafür an der Druckmaschine eine ganze Batterie an Mikrometerschrauben, um die Papieranlage entsprechend auszurichten. Nach letzten Korrekturen wird also der unteren Teil angedruckt und die Form abermals umgebaut-diesmal für den Rotdruck.






Rot, dachte ich dann beinahe gelangweilt ins Farblager greifend und nicht ahnend, was für ein Fass ich da im Moment aufmachen sollte. Am Ende habe ich mich durch mein halbes und dabei wirklich nicht kleines Farbenlager durchprobiert und es wurde dann ein dunkles Weinrot zum dunklen Schwarzblau. Ich lass die gefundene Farbharmonie mal so abhängen. Vielleicht bekomme ich ja doch noch einen Rappel und drucke die großen Teile in wie im ersten, weiter oben gezeigten, Farbmuster tagesleuchtorangerot. Wir werden sehen.
Zum Schluss folgende Hinweise: die Schriften sind zum Teil über 100 Jahre alt und stark benutzt. Farben sind an heimischen Bildschirmen nie die, die sie vor dem Kameraauge sind.




Hannah Arendt
Dieses ständige Lügen – Hannah Arendt
Zweifarbiger Holzdruck auf Format 42 x30 cm
Signiert und gestempelt
Dorée naturfarbenes Vorsatzpapier 110g
9 vorrätig
Ich hatte ja eine leise Ahnung, daß Bleisatz keine einfache Tätigkeit ist.
Wie kompliziert diese Kunst ist, wird mir durch Deine Projekte und Beschreibungen verdeutlicht.
Danke dafür.
Btw. mir gefällt das dunklere Rot bei diesem Text besser als das fröhliche helle.
Danke für die Erklärung, wenn ich etwas als ästhetisch schön erkenne, weiß ich nun ein wenig besser, welche Kriterien ich anlege. Und das Zusammenspiel von klugem Text und ausgefeiltem Können tut gut.
Moin, es das Einbandposter zum Jahressammelband. Wenn ich die Auflage auf den Weg gebracht habe und welche übrig sind, werden diese im Shop eingestellt.
Lieben Gruß
Guido