Quizfrage: Ein Wirtschaftszweig mit 1,2 Millionen Kernarbeitsplätzen, einem Volumen von 174 Milliarden Euro pro Jahr, der bei der Bruttowertschöpfung direkt nach dem Automobilbereich auf Platz 2 aller Wirtschaftszweige der Bundesrepublik steht und in vielen Bereichen zu den Weltmarktführern gehört. Welcher ist das?
Richtig: Deutschlands Kultur- und Kreativwirtschaft
Und den Sektor haben wir gerade im Zuge der notwendigen Pandemiemaßnahmen vollständig und ohne Hilfen abgeschaltet.
Schlicht vergessen. Ja, wir haben den zweitwichtigsten Wirtschaftszweig der Bundesrepublik, stärker als der Energiesektor, die Schwerindustrie, der Bereich Finanzen, die Wehrtechnik und der Chemiesektor bei den Pandemiemaßnahmen schlicht vergessen.
Das liegt zum einen daran, dass wir diesen Wirtschaftszweig kollektiv eher unter „nettes aber selbstbestimmtes Schicksal“ aber nicht wirklich wichtig verbuchen und weil der hochspezialisierte Wirtschaftszweig und Innovationstreiber im Gegensatz zu den anderen gesamtwirtschaftlich kaum wirksame Vertretungsstrukturen hervorgebracht hat: es gibt keine angemessene Lobby, keine eigenen Gewerkschaften. Nein, Kulturgremien sind keine Arbeitsvertretungen, sondern Kulturvermittler. Selbst die Kulturämter in Bund und Ländern sehen sich eher als Vermittler, teils Gönner aber auch sich selbst eher als Bittsteller, denn als operative Speerspitze des zweitwichtigsten Wirtschaftszweiges der Bundesrepublik.
Es gehört offenbar zu unserer Kultur Kultur wirtschaftlich vollständig auszublenden.
Deswegen fällt die zweitstärkste Säule der Bruttowertschöpfung der Bundesrepublik aus Sicht der Politik auch unter den Tisch, wenn wir fragwürdig aber periodisch die Gesellschaft in systemrelevante und nicht systemrelevante Bereiche zerlegen. Deswegen erfahren in jeder Dimension wesentlich unbedeutendere Wirtschaftszweige selbstverständlich und dabei oft automatisch erhebliches Interesse, Förderungen und Hilfestellungen um Ereignisse wie die Pandemie halbwegs unbeschadet zu überstehen. Und der zweitstärksten Säule Deutschlands? Der bieten wir kollektiv den Gang zum Hartz 4 Antrag an und beglückwünschen uns dabei noch für unser resilientes System welches es uns ermöglicht auch Kulturschaffende durchzuschleppen. Und das mit der steten Gedankennotiz, dass es da offensichtlich noch Einsparpotential gibt. So als hätten andere und nicht die Kulturschaffenden an zweiter Stelle die Kassen dieses ungeheuren Schatzes gefüllt.
Das kann, ganz unabhängig von dem damit im Wortsinne einhergehenden Kulturverlust und der offenkundigen arbeitsmarktpolitischen Fehleinschätzung, schon rein wirtschaftlich keine Lösung sein um dieses Land durch die Pandemie zu bringen. Kein Land ertrüge den Verlust seiner zweitstärksten Wirtschaftssäule unbeschadet.
Wir merken gerade: ohne die Kulturwirtschaft wird es in Deutschland nicht nur auf den Bühnen richtig dunkel. Zeit etwas zu tun.
Danke!